Der hier vorliegende Bogen ist ein besonders schönes und interessantes Beispiel dieses Bogenmachers.
Entstanden ist dieses Exemplar um circa 1800, in der letzten Arbeitsperiode dieses Meisters. Die Ausführung ist bereits „modern“ und entspricht dem vollentwickelten Bogenmodell, so wie wir es heute kennen.
Die Stange ist aus einem hervorragenden Pernambukholz gearbeitet, dunkelrot, fast violett in seiner Farbe und besticht durch kraftvolle Eleganz. Das Kopfmodell ist für N. L. Tourte typisch – die Fasen sind stark ausgeprägt und charaktervoll, wenn auch wenig elegant.
Nun zur Besonderheit des Bogens und zum Kern dieser Analyse: Speziell bei N. L. Tourte sind uns immer wieder Bögen begegnet, die an den unterschiedlichsten Stellen, vornehmlich unter der Bewicklung, angeschäftet waren. Bisher war es der traditionellen Expertise nicht möglich, dies entsprechend zu erkennen und zu kategorisieren. Durch die Häufigkeit dieser Beobachtung sind wir zu dem Schluss gekommen, dass es sich hier – in der Regel – nicht um spätere Reparaturen handelt, sondern sich dieser Umstand wohl vielmehr durch die damalige Seltenheit von Pernambuk dieser Qualität und dem damit verbunden sparsamen Umgang mit diesem Material erklären lässt.
Um unsere These diesbezüglich bestätigt zu sehen, haben wir am Beispiel des hier vorliegenden Bogens die zwei miteinander verbundenen Bogenteile mit Hilfe der UV-VIS-Spektroskopie, also der Analyse organischer Materialien, wissenschaftlich untersucht. Das Ergebnis bestätigte unsere Annahme:
Wir haben das Pernambukholz mit drei UV-VIS-spektroskopischen Messungen (Griff M1, Kopf M2, Stange unter der Bewicklung M3) untersucht. Neben der optischen Ähnlichkeit in Farbe, Textur und Dichte der beiden zusammengefügten Pernambukteile bestätigen diese Untersuchungen hohe Übereinstimmungen. Die Peaks besitzen durchgängig die gleiche Lage im Spektrum. Die These hinsichtlich der Verwendung von Holz gleicher Herkunft wird durch diese spektroskopische Konformität begünstigt
Darüber hinaus ist der Anschäfter mit jeweils zwei mal vier Stiften fixiert worden. Mit Unterstützung von µ-XRF (Röntgenfluoreszenzspektroskopie) können wir eindeutig belegen, dass diese Silberstifte aufgrund der Übereinstimmung der Spektren die gleichen Legierungen aufzeigen, wie wir sie auch bei den Silbermontierungen des Frosches und des Beinchens vorfinden (Silber 93%, Kupfer 6,2%, Gold 0,2%, Blei 0,3% und Zink 0,3%). Somit handelt es sich hier um originale Stifte.
Der Vergleich aller durchgeführten Analysen an den verschiedenen Metallteilen zeigt die gleiche Zusammensetzung, was sich auch in der Übereinstimmung der Spektren widerspiegelt (Silber 93%, Kupfer 6,2%, Gold 0,2%, Blei 0,3% und Zink 0,3%).
Da dieser hier besprochene Bogen darüber hinaus den originalen Brandstempel TOURTE L trägt, können wir durch diese Indizienkette eindeutig belegen, dass es sich hier um einen originalen Anschäfter handelt.
Diese Erkenntnis ist nicht nur für den Handelswert des Bogens relevant, vielmehr ist die historische Einordnung einer solchen Feststellung für uns als Experten entscheidend.
Stephan Jansen, London / Isaac Salchow, New York City
Brigitte Brandmair, München
Isaac Salchow, NYC / Stephan Jansen, London – Alle Rechte vorbehalten.